Über Jahre haben sich Bündner Bauunternehmer abgesprochen und Aufträge untereinander verteilt, vom Skandal sind Hunderte private und öffentliche Bauvorhaben betroffen, die Spuren reichen bis in die höchsten politischen Kreise Graubündens.
Erstmals spricht nun der Bauunternehmer und Whistleblower Adam Quadroni der jahrelang Teil des Kartells war, es verliess – und den Ausstieg teuer bezahlte.
Er liefert die Beweise für einen gigantischen Bauskandal in Graubünden. Involviert sind seine Konkurrenten wie auch Politiker, einer ist heute Regierungsrat. Und was passiert? Der Whistleblower wird in die Psychiatrie gesteckt.
Es ist die Geschichte darüber, wie das Kartell funktionierte, wie die Bauunternehmer, mutmasslich unter Duldung der Behörden, die öffentliche Hand und die privaten Bauherren während Jahrzehnten über Hunderte Millionen Franken betrogen haben sollen.
Die Geschichte darüber, wie Polizisten, Richter und Amtspersonen das Recht zum Vorteil des Kartells gebeugt haben.
Die Geschichte darüber, wer alles mit am Tisch sass, als die Aufträge verteilt und die Preise festgelegt wurden. Mutmasslich Andreas Felix, seit 2008 Geschäftsführer des Graubündner Baumeisterverbandes und Präsident der BDP im Kanton. Mutmasslich auch Jon Domenic Parolini, damals Gemeindepräsident in Scuol und heute Regierungsrat, ebenfalls BDP. Auch er soll von den Preisabsprachen gewusst haben – und habe nicht durchgegriffen.
Beide bestreiten diesen Vorwurf. Kein Wunder – beide wollen im Juni in den Regierungsrat gewählt werden: Parolini erneut, Felix zum ersten Mal.
Kandidat ist auch der Schlegel Walter, zurzeit Polizeikommandant Graubünden. Er hat nichts mit dem Bau zu tun, ausser dass er vielleicht Baustellen auf Schwarzarbeit kontrollieren sollte, wie er es sehr eifrig auf den Bündner Kuh- und Galtviehalpen tut. Das nebenbei. Er hat Quadroni ein schwer bewaffnetes Sondereinsatzkommando vorbeigeschickt, 12 vermummte Männer, wir kennen das vom Tatort her.
Die Männer, die hinter dem Bus hervorstürmen, tragen Kampfmontur: kugelsichere Westen, Helme, darunter Sturmhauben. Mit gezückten Waffen stürmen sie auf ihn zu.
So erinnert es Adam Quadroni. Die Kantonspolizei äussert sich auf Anfrage nicht zu dem Polizeieinsatz, da «das Vorgehen der Kantonspolizei Graubünden in der Angelegenheit Adam Quadroni Gegenstand sowohl eines Straf- als auch eines Verwaltungsverfahrens» ist.
«Polizei! Raus!», schreien sie durcheinander.
Eine Nebelpetarde zischt. Dann eine zweite.
Er hört ein klackendes Geräusch, etwas trifft auf die Frontscheibe, sie hat einen Sprung. Das Fenster auf der Fahrerseite ist offen, ein Schlag trifft Adam Quadroni ins Gesicht, er kippt auf den Sitz nebenan.
Die Beifahrertür wird aufgerissen, ein Vermummter zieht ihn an den Haaren, von der Fahrerseite reisst jemand an seiner Hose, dann wird auch die Fahrertür aufgerissen, und sie ziehen ihn, halb an den Haaren, aus dem Auto und drücken ihn zu Boden. Drei Männer knien sich auf ihn, auf die Brust, auf die Beine, auf den Kopf. Der Kies der Strasse bohrt sich in seine Wange.
«Was soll das? Ihr tut mir weh!», schreit er.
«Seien Sie still!», hört er.
Einer fesselt ihm mit Kabelbinder die Hände auf dem Rücken und zieht ihm dann den Kopf in den Nacken, um ihm die Augen mit einem Tuch zu verbinden. Quadroni, noch immer am Boden, zieht die Beine an, zum Schutz. Ein Polizist tritt ihm in die Waden. Er lässt die Beine gerade.
Zehn Minuten, schätzt Quadroni, haben sie auf ihm gekniet.
Juristischer Anlass für die Aktion war allein eine vom Bezirksarzt veranlasste „Fürsorgerische Unterbringung wegen akuter Suizidalität“.
Die Geschichte geht noch ein bisschen höher hinauf. Engler, Ständerat.
Gleich nach seiner Zeit als Regierungsrat wurde Engler im Februar 2011 Verwaltungsratspräsident der Rhätischen Bahn (RhB). Diese gehört zu 51 Prozent dem Kanton sowie zu 43 Prozent dem Bund und könnte durch das Baukartell geschädigt worden sein. Durch die Absprachen lagen die Preise laut Experten mindestens 20 Prozent zu hoch. In manchen Fällen betrafen die Abmachungen RhB-Ausschreibungen, wie Dokumente belegen.
Es ist erst der Anfang der Geschichte, sie weitet sich aus. Ermittlungen finden statt. Im Unterland
Aus der Online-Zeitung „Republik“, Zürich-Langstrasse